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Projekt
RomArchive ist als internationales digitales Archiv für die Künste und Kulturen der Sinti und Roma konzipiert – als stetig wachsende Sammlung von Kunst aller Gattungen, erweitert um historische Dokumente und wissenschaftliche Texte.
Anders als in „hegemonialen“ Archiven, in denen Roma und Sinti meist ausschließlich stereotyp dargestellt werden, steht bei RomArchive ihre Selbstrepräsentation im Mittelpunkt: Es entstehen Erzählungen, die gerade auch die Heterogenität ihrer unterschiedlichen nationalen und kulturellen Identitäten widerspiegeln. Der Reichtum einer jahrhundertealten und bis in die Gegenwart überaus lebendigen wie vielseitigen künstlerischen und kulturellen Produktion, die eng mit der europäischen verwoben ist, wird öffentlich sichtbar und zugänglich. Auf diese Weise will das Projekt auch den hartnäckig bestehenden Vorurteilen und Fremdbildern entgegentreten. Somit richtet sich RomArchive nicht nur an Europas größte Minderheit, sondern auch an Europas Mehrheitsgesellschaften.
Roma und Sinti gestalten das Archiv in allen entscheidenden Positionen: als Kurator_innen, als Künstler_innen, als Wissenschaftler_innen sowie im projektbegleitenden Beirat. Inhaltlich definieren die Kurator_innen das Archiv und wählen exemplarisch künstlerische Beiträge für die Archivbereiche Bildende Kunst, Film, Literatur, Musik, Tanz, Theater und Drama und den interdisziplinären Bereich Flamenco aus, darüber hinaus Material zur Bilderpolitik, Selbstzeugnisse im Zusammenhang mit der Verfolgung der Sinti und Roma im Nationalsozialismus sowie wissenschaftliches Material zur Bürgerrechtsbewegung. Die am Projekt Beteiligten – mit den verschiedenen Arbeitsgruppen etwa 150 Akteure aus 15 Ländern europaweit und darüber hinaus – bilden ein weltweites Netzwerk von Kulturschaffenden, Wissenschaftler_innen und, Aktivist_innen, die hauptsächlich zur Minderheit zählen.
Eine intelligente Kontextualisierung liefert Hintergrundinformationen, hilft dem Verständnis komplexer Zusammenhänge und gewährleistet so eine differenzierte Lesart der gezeigten Werke. Eine magazinhaft und sinnlich aufbereitete Archiv-Website, die über Bilder und Geschichten stets einen lebendigen Einstieg schafft, regt zur tiefgehenden Auseinandersetzung mit den angebotenen Themen an.
RomArchive geht im Januar 2019 online. Davor kann die Arbeit der Kurator_innen sowie die gesamte Projektentwicklung auf diesem Blog und auf Facebook, Twitter oder (in der analogen Welt) auf begleitenden Kulturveranstaltungen in verschiedenen europäischen Städten verfolgt werden. Der Blog ist bis zum Launch des RomArchive zentrales Kommunikationselement. Hier werden fundierte multimediale Inhalte wie Reportagen, Interviews, kontroverse Diskussionen, Essays und Features veröffentlicht.
Idee
Die Idee für RomArchive basiert auf einer intensiven Recherche und zahlreichen Interviews, die die Projektinitiatorinnen Franziska Sauerbrey und Isabel Raabe mit Künstler_innen, Kurator_innen, Aktivist_innen und Wissenschaftler_innen der Sinti und Roma europaweit geführt haben.
In diesen wurde deutlich der Bedarf formuliert, einen international zugänglichen Ort zu schaffen, der die Kulturen und Geschichten von Roma und Sinti sichtbar macht, um auf diese Weise den beständigen Fremdbeschreibungen und Stereotypen mit einer von Sinti und Roma selbst erzählten Gegengeschichte zu begegnen.
RomArchive reflektiert sowohl die Praxis der Archivierung als auch die Grenzen und Machtverhältnisse der Kanonisierung kritisch. Es erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, sondern versteht sich als stetig wachsende Plattform, die exemplarische Sammlungen präsentiert.
Mit seinen kuratierten Inhalten, modernem Storytelling und intelligenter Kontextualisierung unterscheidet sich RomArchive in seiner Ästhetik und Methodik von statischen Datenbanken.
Archivbereiche | Kuratorenteam
Ein internationales Kuratorenteam ist für die Konzeption und Inhalte der einzelnen Archivbereiche verantwortlich:
Bildende Kunst – Tímea Junghaus, Kunsthistorikerin und Kuratorin, Ungarn
Film – Katalin Bársony, Filmemacherin, Ungarn
Literatur – Beate Eder-Jordan, Literaturwissenschafterin, Österreich
Musik – Petra Gelbart, Musikerin und Musikethnologin, Tschechische Republik/USA
Tanz – Isaac Blake, Tänzer und Choreograf, Großbritannien
Theater & Drama – Dragan Ristić, Sänger, Theaterwissenschaftler, Serbien, und Co-Kurator Miguel Ángel Vargas, Kunsthistoriker, Theaterregisseur, Schauspieler, Musiker, Spanien
Interdisziplinärer Bereich Flamenco – Gonzalo Montaño Peña, Musikwissenschaftler, Spanien
Bilderpolitik – André Raatzsch, Fotograf und Kurator, Ungarn/Deutschland
Ein weiterer Archivbereich, zur europäischen Bürgerrechtsbewegung der Sinti und Roma, liegt in der Verantwortung der Wissenschaftler_innen Thomas Acton, Angéla Kóczé, Anna Mirga-Kruszelnicka und Jan Selling.
Im Archivbereich zum Holocaust werden frühe Selbstzeugnisse von Sinti und Roma zur NS-Verfolgung gezeigt, die die Historikerin Karola Fings im Rahmen ihres Projekts „Voices of the Victims“ zusammengetragen hat.
Beirat
Ein internationaler Beirat unterstützt und berät die Kurator_innen und bestimmt die strategischen Richtlinien des Projekts. Er besteht aus Künstler_innen, Wissenschaftler_innen und Aktivist_innen:
Pedro Aguilera Cortés, Politikwissenschaftler, Spanien
Gerhard Baumgartner, Historiker, Österreich
Nicoleta Bitu (Vorsitzende), Demokratischer Bund der Rumänischen Roma, Rumänien
Klaus-Michael Bogdal (stellvertretender Vorsitzender), Literaturwissenschaftler, Deutschland
Ethel Brooks, Soziologin, USA
Ágnes Daróczi, Aktivistin, Ungarn
Merfin Demir (stellvertretender Vorsitzender), Terno Drom e. V. – interkulturelle Jugendselbstorganisation von Roma und Nichtroma in Nordrhein-Westfalen, Deutschland
Jana Horváthová, Museum für Roma-Kultur, Tschechien
Zeljko Jovanovic, Roma Initiatives Office, Ungarn
Oswald Marschall, Dokumentations- und Kulturzentrum Deutscher Sinti und Roma, Deutschland
Moritz Pankok, Galerie Kai Dikhas, Deutschland
Romani Rose, Zentralrat Deutscher Sinti und Roma, Deutschland
Riccardo M Sahiti, Dirigent, Serbien/Deutschland
Anna Szász, European Roma Cultural Foundation, Ungarn
Herbert Heuss (Zentralrat Deutscher Sinti und Roma) ist ständiger Gast des Beirats.
Förderung und Nachhaltigkeit
Die Kulturstiftung des Bundes unterstützt RomArchive mit 3,75 Millionen Euro. Damit setzt sie ein klares Zeichen: Eine der größten öffentlichen Stiftungen Europas widmet sich der größten Minderheit Europas, erkennt den Reichtum ihrer jahrhundertealten Kultur an und macht diese besser bekannt. Dass sich eine deutsche Bundeseinrichtung dieses Themas annimmt, ist vor dem Hintergrund des nationalsozialistischen Völkermords an 500.000 Sinti und Roma von besonderer Bedeutung.
Von Planungsbeginn an standen dem Projekt die European Roma Cultural Foundation und der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma beratend zur Seite.
Die Bundeszentrale für politische Bildung und das Auswärtige Amt beteiligen sich ebenfalls an der Förderung von RomArchive.
Das Goethe-Institut unterstützt die Arbeit von RomArchive und flankiert es mit eigenen Veranstaltungen.
Die Deutsche Kinemathek – Museum für Film und Fernsehen ist Kooperationspartner für die technische Umsetzung.
In die Konzeption und inhaltliche Umsetzung des Projekts durch die Kurator_innen, Arbeitsgruppen, Berater und den Beirat fließen 62 % des Gesamtbudgets. 13 % der Mittel fließen in die technische Umsetzung (Datenbank, Digitalisierung, Webseite) und 25 % in die Administration, also Finanzverwaltung, Koordination, Kommunikation und Marketing sowie laufende Kosten.
Um RomArchive international zugänglich zu machen, wird es mehrsprachig aufgebaut. Neben Deutsch und Englisch verwendet das Archiv von Beginn an Romanes. Übersetzungen in weitere Sprachen sind vorgesehen, je nach Finanzierung durch die Länder, in denen sie vornehmlich gesprochen werden.
Projektträgerin für den Aufbau von RomArchive innerhalb von fünf Jahren ist die sauerbrey | raabe gUG. Im Anschluss an diese Projektdauer übergeben die beiden Projektinitiatorinnen Isabel Raabe und Franziska Sauerbrey RomArchive an eine europäische Sinti- und Roma-Organisation, über die der Beirat entscheidet. Um diesen Übergang zu erleichtern, beabsichtigt die Bundeszentrale für politische Bildung insbesondere die redaktionelle Betreuung des Archivs ab 2019 für weitere fünf Jahre zu unterstützen.
Meinungen und Zitate
Nicoleta Bitu, Vorsitzende des Beirats von RomArchive und Präsidentin des Demokratischen Bundes der Rumänischen Roma:
„Der Beirat begrüßt, dass die Kulturstiftung des Bundes als Förderin von RomArchive die Rahmenbedingungen dafür geschaffen hat, das Prinzip ‚Für Roma von Roma‘ umzusetzen. Dadurch setzt das Projekt hinsichtlich der Selbstpräsentation von Sinti und Roma neue Maßstäbe!“
„Ziel des Projekts ist es, das erste umfassende digitale Archiv für Kunst der Sinti und Roma in Europa zu etablieren, um unseren Anteil an der europäischen Kultur sichtbar zu machen.“
„Wir sind stolz, einige der besten Künstlerinnen und Künstler der Roma-Community als Kurator_innen für RomArchive versammelt zu haben!“
Romani Rose, Mitglied des Beirats von RomArchive und Vorsitzender des Zentralrats und des Dokumentations- und Kulturzentrums Deutscher Sinti und Roma:
„Ich bin sehr froh, dass RomArchive es uns ermöglicht, die wichtigen Beiträge unserer Minderheit zur Kultur und Geschichte ihrer jeweiligen Heimatländer bewusst zu machen.
Wir leben in einem demokratischen Europa und das gibt uns die Chance, auf Missstände und zugleich auf unsere lange Geschichte hinzuweisen und sie aufzuarbeiten.
Hierzu gehört zum Beispiel die Rolle der ungarischen Roma bei den Aufständen 1848 und mehr noch 1956 oder die Rolle der Roma beim Sturz des Ceauşescu-Regimes in Rumänien – genauso wie die Beiträge zur Musik, sei es zur Klassik oder zum modernen Jazz.“
Hortensia Völckers, Künstlerische Direktorin der Kulturstiftung des Bundes:
„Wir hoffen, dass wir mit RomArchive Stereotypen und Vorurteilen wirksam begegnen können, indem wir einer breiten Öffentlichkeit Wissen digital verfügbar machen.“
„Der hochkarätige Beirat zeugt vom hohen Anspruch und der internationalen kulturpolitischen Dimension des RomArchive. Außerdem sind wir glücklich, dass dem Projekt mit der European Roma Cultural Foundation sowie dem Zentralrat Deutscher Sinti und Roma zwei erfahrene Partner beratend zur Seite stehen.“
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