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Der Internationale Roma-Tag und die notwendige Einbeziehung des Roma-Feminismus
Gastkommentar von Jessica Reidy
Als Romni muss ich eine Menge Wut herunterschlucken.
Der 8. April, der Internationale Roma-Tag, dient dem notwendigen Zweck, unserer Existenz und Sichtbarkeit auf der ganzen Welt ein Zeichen zu setzen. Die Fülle der von Roma hervorgebrachten Artikel, Essays, Geschichten, Gedichte, Musikstücke und Kunstwerke, die sich unseren eigenen vielfältigen Identitäten in so vielen weit verstreuten, doch kulturell eng miteinander verbundenen Gruppen widmen, ist offen gestanden erstaunlich und sollte jeden Tag gefeiert werden, nicht nur an diesem Festtag.
Doch dieser Tag dient als kultureller und aufklärerischer Eckpfeiler: Je mehr wir uns und unseren Kampf um Menschenrechte und Teilhabe öffentlich machen, desto wahrscheinlicher ist es, dass die Allgemeinheit, der Adressat unserer Appelle, uns Gehör schenken und zum Nachdenken innehalten wird. Zu oft stehen wir vor der Aufgabe, Außenstehende darüber aufklären zu müssen, wer wir sind und wer wir nicht sind.
Zu viele Male musste ich geduldig schlucken, lächeln und sagen: „Nein, meine Familie besteht nicht aus Kriminellen“, „Ja, ich kann lesen“, „Ja, Roma gibt es wirklich“, „Nein, Sie sollten nicht ‚Zigeuner’ sagen, denn, ja, das ist ein Schimpfwort für eine ethnische Minderheit, auch wenn Sie es nicht so empfinden“ und dergleichen mehr. Die Last, immer wieder ignorante Mutmaßungen über uns korrigieren zu müssen, sollten nicht wir als Einzelpersonen tragen, die wir unserem täglichen Leben nachgehen, vielleicht einen schlechten Tag haben oder mehr Hassbriefe als sonst im Postfach vorfinden, in denen steht, dass wir Abschaum sind und am besten alle in Auschwitz hätten umkommen sollen.
Vielleicht steigt uns diese Wut im falschen Moment die Kehle hoch, oder – wenn wir Glück haben – im richtigen. Im Idealfall befreit uns der Internationale Roma-Tag als Einzelne ein wenig von dieser Last. Je mehr wir international anerkannt sind, desto wahrscheinlicher ist es, dass Außenstehende beginnen, sich zu informieren, sei es bewusst oder durch Zufall.
Aus demselben Grunde ist es so wichtig, dass wir weiterhin Plattformen wie RomArchive schaffen, auf denen wir unsere Arbeit gegenseitig honorieren und unseren eigenen kulturellen Kanon bilden können.
Aber es gibt noch etwas anderes, das mich wütend macht: Viele von uns zögern keinen Augenblick, die dringende Notwendigkeit der Rechte für Roma zur Sprache zu bringen, doch nicht alle – egal ob Männer oder Frauen – sind bereit, sich als Feministen zu bezeichnen und anzuerkennen, dass die Rechte der Romnja, der Frauen unserer Minderheit, ebenso wichtig sind. Ich definiere Feminismus gerne als den Glauben an die Gleichberechtigung der Geschlechter. Viele Menschen hingegen – seien es nun Roma oder nicht-Roma – gehen fälschlicherweise davon aus, dass es im Feminismus darum geht, Männer zu unterjochen.
Doch im Feminismus geht es in Wirklichkeit darum, Systeme der Unterjochung und Unterdrückung zu demontieren und diejenigen kulturellen, ethnischen und klassenbezogenen Probleme zu verstehen, die untrennbar mit Geschlecht und sexueller Identität verbunden sind. Das patriarchalische System unserer Gemeinschaft ist Teil der umfassenden Unterdrückung der Roma, denn es stellt die Art und Weise dar, auf die wir uns selbst unterdrücken.
Wenn wir keinen Raum für Gleichberechtigung von Frauen- und LGBT*-Identitäten unter uns Roma schaffen können, wie soll irgendjemand aus unseren Reihen jemals wirklich befreit sein? Organisationen wie E-Romnja, die Kampagne „I am a Roma Woman“ der Romedia Foundation sowie Roma-Frauenrechtlerinnen wie z.B. Morgan Ahern, Ethel C. Brooks und Alexandra Oprea sind für unsere Bewegung des Wandels unverzichtbar.
Unlängst hat in Rumänien die von Carmen Gheorghe gegründete Organisation E-Romnja große Fortschritte gemacht, häusliche Gewalt in Roma-Gemeinschaften anzugehen – ein schwieriges Thema, wenn man bedenkt, wie apathisch die Ordnungskräfte gegenüber häuslicher Gewalt und gegenüber Romnja reagieren. Die Lage wird auch dadurch verkompliziert, dass die Kultur der Roma durchweg als gewalttätig und frauenfeindlich dargestellt wird. Denn obwohl es sich dabei ganz offenkundig um eine unzutreffende Verallgemeinerung handelt, wird es deshalb schwierig, Probleme von Gewalt und Frauenfeindlichkeit in unserer Gemeinschaft anzugehen – dieselben Probleme, die auch in jeder anderen Kultur bestehen.
Als Opfer von häuslicher Gewalt, Kindesmissbrauch und Vergewaltigung verstehe ich auch, dass zumindest in meiner Familie Gewalt und Trauma aufgrund der Schrecken des Krieges sowie eines kulturellen Traumas zur Norm wurden. Meine Familie hat diese gefährlichen Teufelskreise Generation um Generation durchlitten.
Wenn Gheorge schreibt: „Wir werden oft von männlichen Roma-Aktivisten dazu gedrängt, den Kampf gegen Rassismus über den gegen Sexismus zu stellen, um die Bewegung nicht zu ‚fragmentieren‘“, so spricht sie den Kern des Problems an. Denn um Frauenrechte geht es auch! Wenn wir für unsere Menschlichkeit kämpfen, für unser Recht auf Sicherheit und Chancengleichheit, dann müssen wir für uns alle kämpfen. Gheorghe fährt fort: „Ich kenne Roma-Männer, die der Meinung sind, Roma-Frauen seien irrational und unfähig, ein öffentliches Amt zu bekleiden. Sollen wir, als Feministinnen, wirklich dem männlichen Vorbild von Führungsverhalten folgen und die Geschlechtskomponente unserer Identität ignorieren, um an die Macht zu kommen? Ich glaube nicht.“
Lasst uns am Internationalen Roma-Tag Geschlecht und Sexualität in unseren Kampf für gleiche Rechte einbeziehen. Frauen- und LGBT*-Identitäten gehören auch zu dem, wer wir als Roma sind. Sie sind wichtig und verdienen Sicherheit und Freiheit. Und obwohl es vielleicht schwierig ist, die komplexen Probleme der Gewalt und Diskriminierung in unseren Reihen einzugestehen, wird letztlich nichts anderes zu unserer umfassenden Gleichberechtigung führen. Es gibt keinen besseren Weg, uns zu vereinen und unsere Menschlichkeit unter Beweis zu stellen, als darauf hinzuarbeiten, alle unter uns zu schützen und einzubeziehen – bedingungslos und ohne Angst vor „Fragmentierung“. Lasst uns Mitstreiter für einander sein.
Wir sind alle Roma, und wir erheben uns zusammen.
Übersetzung aus dem Englischen: Christoph Erlenkamp
Jessica Reidy ist Schriftstellerin, Professorin, Redakteurin und Joga-Lehrerin. Zudem geht sie den beruflichen Tätigkeiten ihrer Roma-Familie nach. Sie schreibt gerade an einem Roman, der im Paris der Nachkriegszeit spielt und das Leben einer Romni beschreibt, die Burlesque-Tänzerin im Zirkus ist und zur Nazijägerin wird.
Auf Jessica Reidys Blog können Sie mehr über sie erfahren.
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